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SBF Persönlich: Philipp Funke.

19.12.2021

© Philipp Funke, Brooklyn, Oktober 2021

Seine berufliche Karriere schien gegeben: Architekturstudium in Berlin, danach sammelte Philipp Funke jahrelang Erfahrung in diesem Berufsfeld in der Schweiz. Das Studium der Fotografie in Zürich ebnete dann den Weg in die Berufsfotografie. Die Architektur blieb sein wichtigstes Sujet. Trotzdem ist er auch in anderen Genres zu Hause, so in den Bereichen Reportage oder Portrait. Mehr als die Hälfte seiner Zeit arbeitet er an Auftragsarbeiten, ansonsten vertieft er sich in freie Projekte. Kürzlich ist er von Zürich nach New York gezogen, wo er als freier Architekturfotograf arbeitet.

Der SBF Redaktion hat er erzählt, warum die aktuelle Situation das Berufsleben für ihn als Fotograf vereinfacht. 

Wie erlebst du New York? Ich bin erst seit kurzem hier, aber es ist anders als erwartet. Ich muss die Touristen-Perspektive verlassen. Die Stadt scheint mich in vielen Aspekten mehr zu fordern, als ich verarbeiten kann. Das hält ungemein wach. Auch ist New York anders als noch vor ein paar Jahren. Wenn auch wieder Leben in die Stadt kommt, es fehlen die Tourist:innen als bunte Spots im Kontrast zu den geschäftigen New Yorker:innen. Es steht fast jeder fünfte Laden leer, vor allem in Manhattan.

Wie erlebst du New York als Fotograf? Die New Yorker:innen sind es gewohnt, sich ständig neu zu erfinden. Das ist jetzt nicht anders und macht es spannend, die Stadt auch fotografisch zu sehen. Es gibt allerdings wenige Städte, die so überdokumentiert sind. Die aktuelle Situation macht es einfacher, neue ausdrucksstarke Eindrücke zu finden. Als architekturaffiner Mensch ist mein Auge auf städtebauliche Situationen gerichtet. Mit weniger Menschen wirken die Gebäude anders als sonst und es gibt viele temporäre Interventionen. Abgesehen von Covid-bedingten Änderungen ist es interessant, architektonische Momente zu finden, die für europäische Augen ungewöhnlich sind. Für mich sind das oft Zusammenhänge, die für die Tourist:innen-Linsen möglicherweise weniger attraktiv sind und noch nicht so häufig fotografiert wurden. 

Du hast mehrere Jahre als Architekt gearbeitet. Warum wurdest du Fotograf? Nach Jahren in der Planung wurde ich ausschliesslich mit Projektleitungsaufgaben betraut. In dieser Position reduzieren sich die kreativen Tätigkeiten. Das fehlte mir sehr. Die Fotografie ist seit Kindesbeinen ein Medium, meine Kreativität auszudrücken. Ich sehe darin die Möglichkeit, die geliebte Materie der Architektur nicht verlassen zu müssen. Der Schritt fiel mir, abgesehen von wirtschaftlichen Bedenken, leicht. 

Der Sprung ins kalte Wasser? Während der letzten Jahre als Architekt begann ich, Aufträge als Fotograf anzunehmen, ich konnte davon aber nicht leben. Als ich aus der Planung ausstieg, habe ich eine dreijährige Weiterbildung eingeschoben. Ich wollte autodidaktisch erworbene Kenntnisse professionalisieren, aber auch einen Kundenkreis aufbauen, ein Portfolio kreieren und Kontakte knüpfen. Ich habe das Wasser also vorgewärmt. 

Was ist für dich als Architekt in der Architekturfotografie wichtig? Die Fotografie ist, neben den Plänen, das wichtigste Medium in der Architekturvermittlung. Der immobile Charakter macht eine Begehung des Objekts selten möglich. Daher ist es besonders bei Auftragsarbeiten unverzichtbar, nicht nur ein attraktives Abbild des Gebäudes zu erschaffen, sondern architektonische Sachverhalte,  entwurfstechnische Absichten und städtebauliche Besonderheiten sichtbar zu machen. Die Attraktivität des Bildes zieht anfänglich die Aufmerksamkeit auf sich und erweckt bei den Betrachtenden das Interesse, mehr zu erfahren. Wer kein Architekturstudium und/oder Erfahrungen in dem Beruf hat, braucht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Kannst du mit deiner Fotografie etwas verändern? Veränderung ist nicht immer mein Ziel, eher die Darstellung, die im Vordergrund steht. Die Bilder können als Werkzeug dienen, um Veränderungen zu bewirken. Der Einfluss wäre eher passiv. Anders verhält es sich bei politisch oder sozial motivierten, meist freien Projekten. Beispielsweise sind meiner Interpretation der Villa des ehemaligen albanischen Diktators Enver Hoxhas ein Jahr Recherchen voraus gegangen.

Erst dann wagte ich den Versuch, durch die Fotografien menschenleerer Räume den Charakter einer Person zu vermitteln, die für das Jahrzehnte lange Leiden einer Nation und den Tod tausender Menschen verantwortlich war. In der albanischen Gesellschaft oder Politik liegt die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit nicht im Fokus. Vielleicht machen die Bilder die Auseinandersetzung damit etwas einfacher oder relevanter. Wenn das funktioniert, können die Fotografien tatsächlich direkt zu einer Veränderung beitragen. 

Wie geht es für dich als Fotograf in New York weiter? Ich habe den Luxus, während zwei Jahren freien Projekten nachgehen zu können. Nach wie vor möchte ich Kund:innen in der Schweiz die Dienstleistungen bringen, die sie von mir erwarten. Ich komme alle paar Monate nach Zürich, um diesen Aufträgen nachzukommen. In New York stehen für mich künstlerisch orientierte Projekte im Fokus, die mich als Architekturfotograf interessieren und im Bestfall weiterbringen. Es gibt viel, dass ich als Fotograf von dieser Stadt lernen kann. 

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